“Don’t lose yourself in here, man”

Kategorien: Reisen
“Eigentlich mach ich keinen Sport, außer Inline-Skates fahren. Allerdings kann ich nicht bremsen und lass mich dann immer hinfallen, hihihih”. Mit diesen Worten endete meine Geschäftsreise nach Utrecht in den Niederlanden. Der obige Satz stammt von einer – offensichtlich – total verblödeten Alten, die von irgendeinem hergelaufenen Typen im ICE 129 auf der Rückfahrt von Utrecht nach Köln vollgequatscht wurde. Circa 3 Stunden vorher fiel ein anderer Satz, diese Mal an mich gerichtet:
“Don’t lose yourself in here, man”
Das war die Antwort auf meine Ansage, dass ich mein Arbeitstelefon – ein Iphone – verloren habe. Mir gegenüber zu diesem Zeitpunkt eine marokkanisch aussehender 18 Jähriger mit Baseball Cap umringt von seinen Kumpanen, der mir mein Telefon entgegenstreckt. Ort: Andersom, Vismarkt 23 Utrecht.

 

1,5 Stunden vorher habe ich den Laden betreten, nachdem ich 2,5 Stunden in einem Meeting mit irgendwelchen Niederländern von einem Fernsehsender unsere tolle Software präsentiert habe. Umgeben von hippen
Leuten, die sich nur durch nahezu nicht identifizierbare Kehlkopflaute (Niederländisch) verständigen, wurde Kaffee getrunken und über Software-Lizenzen geredet. Das Meeting war gut und gut war auch der Besuch im Andersom, sehr gut sogar.

Wo hier gerade die Rede von guten Dingen ist – gute Atmosphäre ist anders, aber ich hatte noch 3 Stunden nach dem Meeting in Utrecht bis zur Abfahrt des Zuges zu überbrücken und der Laden war in 5 Minuten Gehreichweite zu erreichen. “1 gram Silver Haze please” hörte ich mich sagen, als ich durch die Tür ging. Der Typ hinter dem Tresen wirft mir lässig 3 Tütchen auf den Tisch und sagt, ich soll mir eins aussuchen. Ich entscheide mich für die goldene Mitte und bin bereit die “grüne Brille” erneut aufzusetzen. Die Treppe runter und durch eine Tür – 1 Tisch ist noch frei. Gemischtes Publikum zw. 18 und 50+ ist hier am Start. Hinsetzen und zuerst mal die Krawatte von mir reißen. Papers, Tabak, Filtertips auf den Tisch und ab dafür. 10 Minuten später sinke ich tiefer in die unbequeme Bank auf der ich sitze und tippe auf meinem Telefon rum, um noch letzte Mails vor der Abreise an meinen Chef zu schicken. Die grüne Brille fährt zu dem Zeitpunkt schon Karussell mit mir. Kurzer Blick auf die Uhr – genug Zeit um noch einen nachzulegen. Weitere 10 Minuten später raff ich schon fast nichts mehr. Ich entschließe mich meine Sachen langsam zu packen und mir meinen Mantel und Schal anzuziehen, bevor ich hier nicht mehr rauskomme. Die grüne Brille macht diesen Vorgang nicht gerade leichter als sonst, und ich bekomme einen spontanen innerlichen Lachanfall über die Tatsache wie wenig man doch verträgt im Gegensatz zu früher. Geschafft – Mantel und Schal und Tasche am Start – zuerst mal wieder hinsetzen.

Zu diesem Zeitpunkt hat mich die grüne Brille zu 100% in ihrem schwammigen Griff. Die Musik läuft in einer Art endlos Loop und ich schließe die Augen. Ich habe keine Kontrolle mehr über meine Gliedmaßen und versuche auch nicht mich zu bewegen. Musik immer noch im Loop. Keine Ahnung was gerade um mich herum passiert und wo ich überhaupt bin. Dieser Zustand – ich würde ihn fast als Ohnmacht oder temporäre Bewusstlosigkeit bezeichnen – dauert an… keine Ahnung wie lange. Also sitze ich da und warte. Silver Haze hat jegliches Raum- und Zeitgefühl als Opfergabe gefordert und ich habe geliefert, geliefert wie schon lange nicht mehr. Früher hätte ich gelacht, aber heute haben sich die Dinge geändert. Anzug, weißes Hemd, runtergerissene Krawatte und schwarzer Mantel. So sitze ich heute im Andersom. Irgendwann holt mich die Wirklichkeit wieder ein und ich öffne meine Augen. Einer der “Marokks” fragt “Are you feeling OK?”. Ich bejahe und möchte gehen. Der Gedanke an frische Luft treibt mich an. Mantel, Schal, Tasche – OK. Alles dabei, denke ich mir und bin amüsiert von meiner eigenen Prallheit. Am Pfeiler vorbei, durch die Tür, links abgebogen und auf die Toilette. Kurz die Hände gewaschen und dann Richtung Treppe nach oben. Man kann schon fast das Tageslicht erkennen. Letzter paranoider Check, ob ich alles habe. Mantel, Schal, Tasche, Portemonnaie, Iphone … shit. Wo ist das bekackte Iphone? Erfolglose 5 minütige Suche, die sich wie stundenlanges frenetisches Suchen nach etwas sehr Wertvollem anfühlt. Zurück also. Durch die Tür, vorbei am Pfeiler und zurück zum Tisch. “Don’t lose yourself in here, man”. Ich nehme mein Telefon und bedanke mich verbal und mit einem Händedruck. Gerade nochmal gut gegangen dank der Ehrlichkeit meiner Tischnachbarn im Andersom! Draußen angekommen nehme ich Kurs auf den Bahnhof.

Erwähnenswert ist noch das “Hi & Low”, welches ich am Vortag erfolgreicher und ohne Verluste besucht habe.
Hi-Lo-smoking-club-Workshop-of-Wonders-Utrecht-05
Hi-Lo-smoking-club-Workshop-of-Wonders-Utrecht-02
Hi-Lo-smoking-club-Workshop-of-Wonders-Utrecht

 

 

«
»